Dank Pandemie hat sich das Homeoffice zu einer beliebten Arbeitsform entwickelt. Durchaus beachtlich, wie schnell Veränderungen gemeistert wurden, wie souverän auf allen Ebenen neue Arbeitsprozesse entstanden. Fehlendes Vertrauen und Kontrollverlust seitens der Führungspersönlichkeiten – in der Krisenbewältigung war dafür weder Zeit noch Platz. Im Gegenteil: Arbeitnehmer wie Arbeitgeber waren von den positiven Aspekten überrascht. Und nun? Die Pandemie liegt hinter uns; es ist Zeit, uns die schwerwiegenden Nachteile des Homeoffice anzusehen.
Das Erfahrungsspektrum zur Führung von MitarbeiterInnen im Homeoffice ist vielfältig, bunt – und ernüchternd. Die Ergebnisse von groß angelegten Untersuchungen decken sich mit den Problemen, mit denen immer mehr Führungspersönlichkeiten zu mir in die Praxis kommen.
Im Personalmanagement allerorts klingeln die Alarmglocken, denn Kündigungen von MitarbeiterInnen schwirren überraschend oft und komplett unangekündigt herein. Scheinbar ohne ersichtlichen Grund hat wieder einmal jemand das Handtuch geworfen! „Wie konnte das passieren?“, die Teamleitung kann es kaum fassen. Nach intensivem Nachfragen und viel Recherchearbeit zeigt sich, dass sich unbeobachtet einige Eskalationen außerhalb des Betriebes ungehindert und ungefiltert aufgebaut haben. Mit dem niederschmetternden Resultat: Nach einem isolierten Entscheidungsfindungsprozess wurde desillusioniert ein Kündigungsschreiben in die Tasten getippt – und abgeschickt.
Nun zu meiner Anlassgeschichte für den heutigen Blogbeitrag. Kathrin ist neben ihrer Rolle als Team Lead eines IT-Projekts auch Mutter einer zweijährigen Tochter und liiert mit Stefan. Ihre Coachingeinheit um 11 Uhr, eigentlich ein Notfalltermin, verschieben wir auf einen Abendtermin, denn ihre Anna konnte sie mit Fieber und Mittelohrentzündung wohl schlecht in der Kinderkrippe abgeben. Anna wirkt weinerlich und sichtlich krank auf mich – warum weiß ich das? Weil ich die Coachingeinheit um 20 Uhr online mit beiden führe: Kathrin liegt halb auf dem Sofa, die Kleine kauert auf ihr. Stefan hat es leider noch nicht nach Hause geschafft, doch das Online-Meeting mit mir will Kathrin auf keinen Fall verschieben, denn am nächsten Tag würde eine wichtige Personalrochade anstehen, die für das Gesamtprojekt maßgeblich entscheidend sein wird. Wie und ob das Projekt überhaupt mit 1. Jänner 2024 umgesetzt werden kann, steht für Kathrin in den Sternen. Es sind außerdem noch andere wichtige Fragen offen.
Sowohl Kathrin als auch Anna wirken komplett ausgelaugt auf mich. Nach einigen Versuchen der Mama ihre Kleine abzulenken und zu beruhigen, schlage ich vor, unser Coaching abzubrechen und einen neuerlichen Versuch um sechs Uhr morgens zu starten, noch bevor Anna wach wird und damit Kathrin doch noch mit einer durchdachten Lösung in ihrem Büro erscheinen kann. Letzte Anweisungen für den bestellten Oma-Dienst würden sich auch noch irgendwie ausgehen.
Frühmorgens beschreibt mir Kathrin ihre aktuellen Problemfelder:
Den Tag zuvor hatte Kathrin als puren Horror erlebt, wo eine niederschmetternde Ankündigung der nächsten folgte. Eine Mitarbeiterin kündigte ihren dringenden Bedarf an Bildungskarenz an. Die nächste informierte über ihre baldige Operation; mit einem Ausfall von mehreren Wochen würde zu rechnen sein. Die dritte Person, wo Kathrin wahrnimmt, dass diese mehr und mehr die Prioritäten auf das Private legt, erzählt von Erschöpfungssymptomen, die sich wie Long-Covid anhören – der nächste Langzeitkrankenstand. Das Zusammentreffen mit der vierten Person, die schon die längste Zeit im Team querschießt, stellte den Gipfel an Unerfreulichem dar. Fakt ist: Diese Mitarbeiterin stellt Kathrins Entscheidungen als Führungskraft laufend in Frage, sie verwickelt Teammitgliedern in lange Einzelgespräche, stört sie sogar mit Telefonaten in deren Freizeit, problematisiert ständig Neues und belastet die Stimmung im Team schwer.
Kathrin, selber erschöpft, aber gleichzeitig im dringenden Handlungszwang, neigt in dieser Akutphase zum archaischen Durchgriff und würde am liebsten gleich das gesamte Team auswechseln.
Kathrin leidet in ihrer Führungsrolle, doch in Wahrheit geht es ihren Mitarbeitenden auch nicht viel besser. Oft unbemerkt gleiten MitarbeiterInnen im Homeoffice in eine langsame, negative Spirale:
Führungsstile gehören dringend reformiert, damit Betriebe wieder neu mit Sinnerfüllung, Spaß und allen Vorteilen von genialen Teamentwicklungen erfolgreich am Markt agieren!
Begeben wir uns auf die Suche nach Möglichkeiten, um den Zeitgeist von Hybridarbeiten optimal zu nützen.
Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Umstellung auf Homeoffice und hybrides Arbeiten die Führungskräfte enorm fordert und sie sich in Windeseile neue Skills aneignen und erfolgreich umsetzen müssen. Als Nummer 1 wäre ein hohes Maß an Medien- und Technologiekompetenz zu nennen, gefolgt von einer verbesserten Feedback- und Fehlerkultur und höheren sozialen Fähigkeiten, wo auch Geduld und Feingefühl dazu zählen.
Für Kathrin, die an den neuen Anforderungen schier verzweifelt, sind unsere laufenden Coachingeinheiten enorm hilfreich. Sie genießt vor allem die Zeiten in der Praxis, wo sie geschützt, in einem vertrauten Rahmen zuerst mal ihren Gedanken und Emotionen rund um ihr gesamtes Leben freien Lauf lassen kann. Im nächsten Schritt planen und setzen wir gemeinsam einen Schritt nach dem anderen. Das Ziel wird nie aus den Augen verloren, wenngleich der Berggipfel riesig und der Weg beschwerlich erscheint. Dann hilft es ungemein, den Fokus einfach nur auf die nächsten zwei oder drei Schritte zu setzen.
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