Was wir von den Medien über die verschiedensten Kanäle hereingespült bekommen, lässt uns zum Teil ratlos in dem Gefühl zurück, dass unser persönlicher Handlungsspielraum kein besonders großer ist. Einerseits sind wir tatsächlich Passagier und andererseits? Dieser Beitrag widmet sich der lähmenden Wirkung von Angst, der Betätigung von Scheinwerfern und der Fokusorientierung.
Mittlerweile gibt es in meinem Umfeld niemanden, den der Klimawandel nicht mit Sorge erfüllt und bei manchen auch tatsächlich Unruhe und Angst erzeugt vor dem, was von Expert*innen angekündigt wird. Weitere Beispiele gäbe es zuhauf – Krieg, Inflation, Energiekrise oder der jüngste Fall von Pädophilie.
Der Missbrauch von Kindern erschüttert mich jedes Mal zutiefst. Den Ruf nach Gesetzen und nach höherem Strafausmaß für Täter*innen verstehe ich und gehe davon aus, dass nun, wo ein angeworfener Scheinwerfer diesen Bereich wieder einmal hell erleuchtet, auch Recht gesprochen wird und zusätzlich die Rechtslage den aktuellen Umständen angepasst wird. Es ist mir aber auch ein Anliegen, den Müttern und Vätern, die alarmiert und unsicher sind, die Empfehlung auszusprechen, sich trotz etwaiger Vorkommnisse immer wieder in das Vertrauens zu begeben. Vertrauen in das eigene Handeln, Vertrauen in die eigenen Kinder, Vertrauen in ein Umfeld, das unsere Kinder schützt.
Die Analogie mag nicht zu 100% passen, doch ich möchte noch gerne aus den 1980er Jahren die Geschichte von einem Kindergartenkind mit Fluchtvergangenheit erzählen, der keinerlei Kontakt zu Gleichaltrigen aufnehmen konnte. Er mag in vielen Bereichen seine Defizite gehabt haben, doch eines konnte er herausragend: klettern wie kein anderes Kind. Die Kastanie war damals gute zehn Meter hoch; der Junge kletterte in Windeseile hinauf. Dort schien er selbstbewusst, selbstsicher und eine sichtbar heitere Zufriedenheit kam zum Ausdruck. Die Mitarbeiterinnen verfolgten sein Tun mit Sorge und sogar Hilflosigkeit, da er jede Gelegenheit für seine unkontrollierbaren Höhnenausflüge nutzte. Was tun? Es war meine Aufgabe als Leiterin, die Kinder zu schützen, für deren Sicherheit zu sorgen und sie gleichzeitig bestmöglichst in Ihrer selbstständigen Entwicklung zu fördern. Ich beschloss damals, dem Buben zu vertrauen, nachdem wir beide unter 4 Augen einige Spielregeln vereinbarten. Zugegeben, eine mutige Entscheidung.
Und vor zwei Wochen kam überraschend die Bestätigung von Vertrauen: Absperrungen um eine alte Eiche blockierten meinen morgendlichen Arbeitsweg, zusätzlich stand ein Truck mit der Aufschrift „Baumchirurg Andre“ quer auf der schmalen Seitentraße. Zwei Männer mit Kletterausrüstung am Boden, und DER Andre aus den 1980er Jahren war gerade dabei, vom Baum zu klettern. Eine riesige Wiedersehensfreude mit einem herzlichen Rückblick folgte. Mein Vertrauen in seine Fähigkeit bestärkte ihn damals, seinen Traum zum Beruf zu machen.
Mittlerweile ist allerdings jener Garten zu einem sicheren Terrain geworden, ohne Kastanienbaum und mit Spielgeräten, die allen Sicherheitserfordernissen entsprechen; ein Anblick, der zwei Seelen in meiner Brust trifft. Denn: Jede Normierung, jedes Grenzen ziehen bedeutet auch einen Verlust an Freiheit, einen Verlust des sich selbstständigen Entwickelns. Mit all unseren Schutzvorkehrungen, Verordnungen und Gesetzen frage ich mich: Sind die Ängste um die Sicherheit unserer Kinder eigentlich kleiner geworden? Oder sind sie sogar gewachsen, weil wir den Fokus mehr auf unsere Ängste legen und uns damit ein großes Stück an Vertrauen abhanden gekommen ist?
Bei erfolgreichen Führungskräften stelle ich fest, dass sie sehr wohl Missstände wahrnehmen, sich aber relativ rasch bewusst entscheiden, wohin sie ihren Fokus legen. Lösungsorientierung bevorzugen sie deutlich dem Zerlegen von Problemen. Diese Ausrichtung auf einen klaren Fokus lässt sich am besten mit einem Schweinwerfer vergleichen. Welchen Scheinwerfer möchte ich einschalten und wohin richte ich meine gesamte Aufmerksamkeit und Energie? Führungspersönlichkeiten können ihre Kompetenzen meist perfekt einschätzen und besitzen gleichzeitig die Fähigkeit, anderen Menschen darin zu vertrauen, dass sie deren Schweinwerfer mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kompetenzen bestmöglich bedienen. Sie erkennen: Mein Einschreiten und mein Sorgenmachen sind weder gewünscht noch sinnvoll. Stattdessen ist es weitaus gesünder und effizienter, den eigenen Fokus zu beleuchten, und zwar mit der gesamten Kraft, Mobilisation und Motivation. Das bedeutet nicht, dass Entwicklungen, die uns als Gesellschaft betreffen, sei es Klimawandel, Immigration oder kriegerische Auseinandersetzungen egal sind. Natürlich können wir eine Meinung haben und sollten auch Stellung beziehen; doch wir dürfen auch zulassen, dass manche Themen von anderen besser bedient werden und keinerlei Aktion unsererseits erforderlich ist. In diesem Vertrauensfeld ist auch kein Platz für paralysierende Angst. Denn Angst besitzt einen höchst lähmenden Charakter, sie treibt uns nicht vorwärts, sondern hindert uns, neue Wege zu finden.
Darüber hinaus verstehen es Führungskräfte in ihrer sehr resilienten und aktivierenden Gangart, junge, chaotische und höchst flexible Menschen anzuziehen, die an das Unmögliche glauben und voller Energie sind. Wo aus einem Funken ein kraftvolles Feuer entstehen kann. Diese Art der Lösungsfindung ist inspirierend, agil, sportlich, erotisch – und auf jeden Fall ent-ängstigend. In dieser Freiheit der Lösungssuche lassen sich Potentiale entdecken und man traut sich, in einer freudvollen Weise auch kontrollierte Risiken einzugehen.
Den Fokus darauf zu legen, was nicht funktioniert, tun meines Erachtens bereits genügend Menschen. In dieser Atmosphäre der Enge herrscht auch eine bemerkenswerte Lustlosigkeit. In der Lösungsorientierung hingegen liegt das Weite, die Agilität, die Begeisterung, die Lust, die Konzentration, die Weiterentwicklung, das Neue, das Inspirierende.
Führungspersönlichkeiten wissen: Wenn sie Mitarbeiter*innen fördern möchten, dann hat das lustvoll zu geschehen, mit einer Konzentration auf vorhandene Expertise und den bereitgestellten Potentialen. In Zeiten des Arbeitskräftemangels darf man sich die Frage stellen, wie es gelingen kann, die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen. Mitarbeiter*innen wollen sich vermehrt in der Lage sehen, mit ihren persönlichen Fähigkeiten zu punkten und in ihrem Schaffen erfolgreich zu sein. Den Mehrwert, den sie erfahren wollen, liegt nicht mehr ausschließlich im Monetären, sie wünschen sich Freiheit, Persönlichkeitsentwicklung und ein Wachsen im Team. Begegnungen dürfen lustvoll gestaltet sein, sei es beim gemeinsamen Essen, Kochevents inklusive, auf der Schaukel, der Rutsche, im Gym, den Bartischen und den kreativitätsfördernden Meetingräumen. Die MeToo-Bewegung soll niemand verlegen in den Boden schauen lassen, nein, im Gegenteil, wir sollen uns wertschätzend und fröhlich begegnen. Die Devise lautet: Jene Schweinwerfer anwerfen, die wir steuern können und mit Fokusorientierung das Bestmögliche leisten.
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